Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde!
bei der gestrigen Regionalkonferenz der Anti-Atom-Initiativen in Hameln tauchte die Frage auf, warum die Grohnde-Demo am Ostermontag so erfolgreich war. Da gibt es viele Gründe - angefangen von der starken Anti-AKW-Bewegung Ende der siebziger - Bürger gegen Atom, Bürgerinitiative Hameln. Die Schlacht um Grohnde am 19.3.1977 hat sich unauslöschlich ins Gedächtnis der Region eingebrannt. Die Errichtung eines Anti-Atom-Dorfes ist unvergessen.
Während AKW-Gegner damals oft noch als Chaoten galten, so erfuhren die Menschen, die schon früh Widerstand leisteten, durch Fukushima eine späte grausame Bestätigung, viele waren wieder mit dabei.
Der BUND sensibilisierte in den letzten Jahren die Jugend für die Alternative - Umweltkinotage von Al Gores "Unbequemer Wahrheit" über die BUND "Klima und Energieshow" bis zum Film "die 4. Revolution" erreichten über 5.000 Jugendliche.
Hameln-Pyrmont wurde zur 100% Region, mit CO-2-Bilanz, Klimaschutzkonzept und Klimaschutzagentur, Salzhemmendorf wurde 2008 Solarpreisträger - es machte sich doppelt energieautark bei Strom mit Biogas und Windkraft.
Eine neue Generation von AKW-Gegnern trat mit dem Anti-Atom-Plenum auf den Plan, erhielt Unterstützung durch einige der alten Kämpfer. Zugleich hatten sich die Rahmenbedingungen fundamental geändert: Der rot-grüne Atomkompromiss von 2001 wurde von gezielter Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien begleitet. Das EEG wurde zur Erfolgsgeschichte. Während 7 Jahren rot-grün und 4 Jahren schwarz-rot wurde die Energiewende immer weiter entwickelt. Als 2010 schwarz-gelb zum Ausstieg aus dem Ausstieg blies und Merkel den Atomkonzernen gefällig wurde - da hatten die Medien ihre große Stunde:
Insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen und bei uns die Deister- und Weserzeitung klärten massiv auf, machten deutlich, dass die Energiewende machbar ist. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen, das Umweltbundesamt und die 11 Forschungsinstitute der erneuerbaren Energien, darunter auch das Solarforschungsinstitut in Emmerthal, zeigten auf, das Atomkraft bis 2020 locker durch Energieeffizienz in Kombination mit den erneuerbaren Energien ersetzt werden kann. Neue Gutachten vom EWI-Institut (wird gesponsort von e.on und RWE) wurden als Gefälligkeitsgutachten entlarvt. Wollte die Bundesregierung die Entscheidung während der Weltmeisterschaft treffen, so gelang das nicht, die Gutachten wurden nicht früh genug fertig.
Trotz großer Protestdemonstrationen im Herbst zog schwarz-gelb die Verlängerung der AKW-Laufzeiten gnadenlos durch. Nach dem Beschluss startete eine massive Kampagne gegen die Photovoltaik. Minister Sander redete Biogas schlecht, der Landratskandidat der CDU sprach von Zerstörung der Heimat durch Windräder - und dann kam Fukushima!
Eine gut strukturiertes und konstruktiv agierendes Anti-Atom-Plenum hatte schon vorher angefangen, für den Tschernobyl-Tag eine Demo in Grohnde vorzubereiten. Insbesondere Britta Kellermann erzielte mit ihrer Pressearbeit für das Anti-Atom-Plenum Weserbergland eine ausgezeichnete Resonanz bei Dewezet und Hamelner Markt - auf alle Aktionen wurde in großen Artikeln hingewiesen - so bekam die Bewegung eine große Akzeptanz.
Die Ankett-Aktion von AKW-Gegnern am Werkstor vom AKW Grohnde brachte die Dewezet als Aufmacher auf Seite 1 - eine Woche vor Ostern. Radio aktiv begleitete die Debatte nach Fukushima mit vielen Beiträgen. Und dann spielt am Ostermontag alles zusammen: gute Organisation, tolles Wetter, 80 Trecker, gute Redner, tolle Livemusikgruppen auf der Bühne und besonders in der Menge vorm AKW - 15 bis 20.000 kamen zu einer fröhlichen, friedlichen und machtvollen Kundgebung - Tagesschau und Tagesthemen berichteten - und die Deister- und Weserzeitung übertraf sich in der Berichterstattung selbst:
Die Titelseite, drei Seiten zu Tschernobyl und noch mal zwei Seiten im Lokalteil machten deutlich, dass hier das Volk gesprochen hat. An diesem Tag wurde in Grohnde und anderswo die Atomkraft zu Grabe getragen. Dadurch, dass alles friedlich blieb, konnte sich die Berichterstattung auf die Inhalte konzentrieren:
Die Tagesthemen über Grohnde: Eine alte Dame wurde gezeigt - sie hatte noch nie in ihrem Leben demonstriert - aber jetzt hat’s ihr gereicht - für ihre Enkel will sie eine Zukunft ohne Atom. Und Biolandwirt Ulf Kramer aus Detmold konnte darauf hinweisen: "Das Atomkraftwerk ist kaum versichert - wenn etwas passiert und Strahlung meinen Acker verseucht, kann ich nichts mehr anbauen und meine Existenz als Landwirt ist zerstört".
Manchmal braucht es einen gigantischen Aufwand um diesen einfachen Wahrheiten die erforderliche Geltung zu verschaffen - das gelingt aber immer nur dann, wenn es so friedlich bleibt wie diesesmal in Grohnde - Militanz zieht sonst alle Aufmerksamkeit auf sich. Allen Organisatoren sei hiermit noch einmal sehr sehr herzlich gedankt - selten hat sich ein Aufwand so gelohnt - über 15.000 Menschen trugen die Atomkraft mit der Grohnder Leitdemonstration zu Grabe, getreu dem Motto: Lachen - nicht strahlen.
Ich wünsche mir, dass die Kraft der Bewegung sich überträgt auf die anstehende grundsätzliche Änderung unseres Lebensstiles in Richtung Nachhaltigkeit.
Die große ökologische Transformation kann kommen. Mit besten solaren Grüßen
Rainer Sagawe, Klimapolitischer Sprecher BUND Hameln-Pyrmont
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Nachtrag vom 09.05.2011:
Sehr geehrte Damen und Herren, am Ostermontag wurde mit der Leitdemonstration in Grohnde die Atomkraft zu Grabe getragen. Die örtlichen Print- und Radio-Medien spiegelten durch eine engagierte Berichterstattung die Aktivitäten.
Radio aktiv leistete hierzu fast täglich einen Beitrag - als fast schon selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Diese Leistung hat einmal eine extra Würdigung verdient:
Sei es durch lange Interviewgespräche an vielen Sonntagmorgen zum Thema energieautarkes Güssing oder zur Energiewende in der Region, sei es durch einen regionalen Klimagipfel im Sender mit Landrat und Oberbürgermeisterin - sei es durch viele Kurzinterviews zum aktuellen Geschehen - radio aktiv war so selbstverständlich dabei, wie die Luft zum Atmen uns selbstverständlich immer zur Verfügung steht und hielt das Bewußtsein für Klimaschutz und Energiewende wach.
Dass das uns als selbstverständlich erscheinende oft gar nicht so selbstverständlich ist, dessen muss man sich manchmal erst bewusst werden. Deswegen hiermit einmal ganz ausdrücklich herzlichen Dank an das engagierte Team von radio aktiv!
Mit besten solaren Grüßen Rainer Sagawe